Nicht nur bei Freunden von Bäckereien ist die Summe aller Teilchen Scheiße
Ich war nicht dabei. Aber laut http://www.zitate-online.de soll der gute Kurt Tucholsky einmal gesagt haben: „Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann.“ Und ich bin arrogant genug, um mich als Tester dieses sehr guten Zitates zur Verfügung zu stellen. Geht das? Dumm stellen? Es bedarf eines Versuches. Aber nicht bloß im kleinen Rahmen, sondern im ganz großen Stil. Ich musste dahin gehen, wo Hirnzellen dahingehen. Haha, ein Wortspiel. Aber wo ist das? Im Internet? Im deutschen Privatfernsehen? In Berlin-Mitte? Möglich, aber noch nicht doof genug. Ich wollte es extrem. Ich wollte zu Menschen, die selbst, wenn sie an Bulimie erkrankt sind, mehr Kilos auf den Rippen als IQ-Punkte im Hirn haben. Ich wollte zu Menschen mit Hirnzellenbulimie. Gerade die Dümmsten der Dummen waren mir genug. Also ging ich zur NPD.
Wenn es mir gelänge, dort nicht sonderlich aufzufallen, dann hatte Tucholsky wohl recht. Aber wie wird man bei der NPD vorstellig? Wie schleust man sich in nationalsozialistische Kreise, wenn man im Westen wohnt und der eigene Nachname, Floehr, klingt wie Französisch für „Blume“? Ich entschied mich für eine E-Mail, natürlich verfasst in altdeutscher Schrift. Und die lautete folgendermaßen:
(Für alle Nicht-Germanen:
„Heilihallöchen Nazis.
Mein Name ist Johannes Floehr, ich bin 21 deutsche Jahre alt und bevor ihr euch wundert: ‚Floehr‘ klingt zwar wie ‚Blume‘ auf Französisch. Aber wie ich herausgefunden habe, sind selbst Jiddisch und Afrikaans westgermanische Sprachen. Kein Scheiß. Ich hoffe also, dass das mit meinem Nachnamen ok geht, zwinker zwinker. Und ich schwöre auf Goebbels: Alle meine Vorfahren waren Germanen, in Anlage findet ihr den Ariernachweis meiner Großeltern. Warum ich euch schreibe? Nun, ich will bei euch mitmachen. Meine Hobbies sind: deutsch sein, Meister Proper, mit Opa über früher und den Führer reden und NSDAPlätzchen backen. Gebt mir einfach eure Adresse, ich marschier dann mal bei euch vorbei.
Auf die nächsten tausend Jahre!
Euer Johannes.“)
Und siehe da, um 5:45 Uhr morgens erhielt ich eine formlose Antwort mit der Adresse der NPD-Zentrale. Ich ging hin. Winkelstraße 81, soso. Ich atmete tief ein, nahm meine Brille ab, um nicht zu klug zu wirken und trat ein. Ein kleiner, karger Raum mit Tisch und drei Männlein drumherum. „Schalömchen, ich habe gestern die Mail geschrieben.“, stelle ich mich vor und jemand nahm mich in Empfang. „Ah, du warst das!“, sagte jemand, stand auf und legte mir seinen rechten Arm um die Schulter. „Aber, du, was stand da eigentlich drin? Wir können kein Altdeutsch lesen, weißt du. Nur hier, der Armin, der kann das ein bisschen entziffern und hat da ‚Goebbels und ‚NSDAP‘ herauslesen können, also dachten wir, du willst bestimmt von uns lernen und wir laden dich mal ein. Winkelstraße 81, lustige Adresse, oder?“ Ich verstand nicht. „81. Stell dir vor, die Zahlen stehen für Buchstaben und die Buchstaben sind Initialien.“
In meinem Kopf verbesserte ich ihn, schließlich heißt es „Initialen“ und nicht „Initialien“, doch dann kam mir Tucholsky in den Sinn und ich nickte. „Ja, stimmt, Initialen! Hier, von dem…“ „Pssst.“, lenkte er ein, „sag den Namen nicht. Selbst wir hier verwenden ihn nur ganz selten, Verfassungsschutz, weißt du.“ Ich überlegte. HA. Wen könnte er meinen? HA… Da fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren: Hubertus Albers! Der bürgerliche Name von Atze Schröder, was eben jener aber nicht öffentlich verbreitet wissen will und weswegen ich wegen dieses Textes auch sicherlich in Kürze verklagt werde. Und auch, wenn ich Atze Schröder innerhalb dieses Textes nicht in die rechte Ecke rücken möchte, soll nicht unerwähnt bleiben, dass eben jener einst in einer Talkshow den folgenden Witz machte: „Wenn ich da höre Auswechslung Kuranyi gegen Gomez, du hast ja das Gefühl, ist gar keine deutsche Nationalmannschaft, aber das hört sich ja schon fast wie so ein Machtwechsel in Venezuela an.“ Und auch wenn ich jetzt gewisse Sachen sagen könnte, halte ich mich lieber zurück, sage nur, dass Atze Schröder ein Honk ist und komme lieber wieder zum eigentlichen Thema.
Bei der NPD war man eigentlich recht nett zu mir. Man frug mich, ob ich Hunger oder Durst hätte, man habe noch Arionade Sauerkraut und ein bisschen EssEss-Papier da. „Nein, nein, danke“, lehnte ich ab, „ich habe vorhin noch einen Döner gegessen.“ Es folgt Stille im Raum. „Was ist los?“, frug ich nach, „War das etwa dumm?“ Die Herren nickten grimmig. Ich fühlte mich angekommen und angenommen. Einer nahm mich zur Seite und sagte: „Komm mal mit.“
Er führte mich in einen Nebenraum, schloss die Tür und seine Stimme wurde schlagartig ernster. „Mal ehrlich, was willst du hier, du Lümmel? Bist du von der Antifa?“ „Nein, nein. Ich will bei euch mitmachen. Deutsch sein und so. Ehrlich.“ „Du hältst dich wohl für sehr schlau, was? Glaubst du wir sind so dumm, uns von dir verscheißern zu lassen?“ Verdammt, meine Maskerade war aufgeflogen. Und für die Moral dieses Textes ist diese Entwicklung sicherlich auch nicht förderlich.
„Guck mal da an die Wand, was da hängt.“ Ich sah an die Wand, konnte aber ohne Brille nichts erkennen. „Siehst du, was da hängt? Das sind fünfzig Cent.“ „Ja, das sehe ich.“, log ich, „Und was ist damit?“ „Das ist die NPD-Parteikasse. Die komplette. Und weißt du, wieso wir so pleite sind?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Das ist mein Verdienst. Weißt du, was Tucholsky mal gesagt hat? ‚Im übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.‘ Ich verrate dir mal was.“ Er beugte sich vor und kam sehr nah an mein Ohr. „Ich bin übrigens Heiner und links. Ich unterwandere die ganze Scheiße hier. Ich habe festgestellt, dass man die NPD so noch viel effektiver zerstören kann. Diese ganzen teuren Gerichtsprozesse. Die bescheuerten Plakate. Seit ich hier was zu sagen habe, geht es immer weiter bergab! Und die Idioten da draußen am Tisch, die machen das alles mit. Herrlich!“
Ich wühlte in meiner Tasche, setzte mir wieder meine Brille auf die Nase. „Wäre es nicht viel klüger, sich dafür einzusetzen, dass die NPD verboten würde?“, fragte ich nach. „Nein, das ist der falsche Ansatz. Die NPD einfach nicht wählen ist das Klügste. Viele denken ja, die NPD wäre ein ganz schön beschissener Verein. Ich kümmere mich darum, dass es bald alle denken.“ „Tucholsky wäre stolz.“, sagte ich und bat darum, diesen Ort nun zu verlassen. Mein Gegenüber willigte ein, suchte die Tür und ging grußlos heraus. Von dort aus lauschte ich, wie sich die echten Nazis und der falsche Fascho unterhielten: „Der eben doch noch keine Brille auf!“, sagte einer und Heiner erklärte: „Siehst du, wir helfen, dass die Leute wieder richtig sehen können! Und jetzt lass uns weiter an dieser neuen Kampagne arbeiten…“
Und ich bin mir sicher, woran auch immer die da arbeiten: Es wird die NPD Geld und Wähler kosten. Gar nicht so dumm.