Kulturausdehnung

Kulturausdehnung

Kul­tur.

Ein äu­ßert dehn­ba­rer Be­griff. Der zwei Vo­ka­le wegen.

Ku­u­u­u­ul­tu­u­u­u­u­ur.

Kenns­te? Kenns­te! Jut.
Oh, hass ma wel­che je­macht?
Je­schrie­ben hasse also! Och jut.
Wars­te da flei­ßig je­we­sen?
Konn­tes­te wat zu Pa­pier brin­gen?
Bisse jetz sonne Art Stift­mu­si­ker?
Enn Wort­jon­gleur,
enn Satz­bau­stein­ein­bre­cher,
enn Phra­sen­ver­dre­scher,
enn Wort­hül­sen­auf­bre­cher
unn Buch­sta­ben­fe­ti­schist?
Dann liecht da bei dir inner Butze nu si­cher ir­gend­wo nen Sta­pel Kul­tur rum!
Und nun frags­te dich wohin damit.
Pass op, ich ver­täll et dir:
Ex­pan­si­on. Ex­pan­si­on!

Dat heißt janz kon­kret:
Brich auf zu Kul­tur-​Tour­ne­en, schaf­fe Kul­tur-​Nä­hen und –Fer­nen, pack deine Kunst unter die Arme und rei­che deine Hände den kul­tu­rell reich­lich Armen. Du wirst sehen: Tei­len macht Spaß, aber mei­den macht Hass! Meide also nichts und nie­man­den! Nimm alle mit! Sei ein mensch­ge­wor­de­nes Rei­se­bus­un­ter­neh­men für Aus­flü­ge in die lus­ti­ge, bunte Welt der Me­ta­phern, En­jam­be­ments und Pam­phle­te. Reise mit dei­nem Kul­tur­kof­fer in frem­de Ge­fil­den und er­fah­re etwas über die Vor­zü­ge an­de­rer Orte! Jede Stadt hat ir­gend­et­was zu bie­ten – und wenn es nur die Au­to­bahn­aus­fahr­ten sind! Lerne alles ken­nen und lass dich ken­nen­ler­nen! Denn dann gibt es einen ko­los­sa­len kul­tu­rel­len Aus­tausch der Kul­tur­säf­te! Du musst die guten Ge­dan­ken der an­de­ren ein­fach nur ab­mel­ken und dir schme­cken las­sen, so ko­misch das auch klingt. Und dann: Prost, Che­ers, Ter­vi­seks, Kip­pis, Salud und Santé; hau über­all weg den Scheiß! Oder, lass es mich so er­klä­ren:

Öb dü nü im Östen weilst
ünd dört deinä Täxtö deilst.
Ob du die Noord­seee­e­küs­te
ver­wöhnst mit einer dei­ner Küns­te.
Oderr nach Polen fährst
und denen dei­nen Kopf er­klärrst.
Oder du reist nach Hol­land
und lässt dich über­ra­schen.
Ob duh noon nack Ame­ri­ca flieckst,
oder in Han­no­ver singst und tanzt und liest.
We­sent­lich ist nur: das Wesen der Kul­tur.

Er­zeu­ge also Kunst­dunst. Schütt­le un­ge­schüt­tel­te Hände und putze auch mal sau­be­re Klin­ken. Und: pflan­ze Ideen in frem­de Köpfe. Löse Ge­dan­ken aus. Sei der feh­len­de Im­puls. Die Macht des Worts wird zwar vie­ler­orts klein ge­macht, aber auch Klei­nes kann man wie­der groß wer­den las­sen. Sei die Gieß­kan­ne! Lass dich von Kunst­ne­bel um­ge­ben, an­strah­len, an­la­chen und an­se­hen. Komm, los, lass dich doch mal an­se­hen! Fak­ten auf den Tisch pa­cken: was kannst du? Nein, nein, das ist kein Vor­wurf, son­dern le­dig­lich eine Er­ör­te­rung, ein Aus­mes­sen dei­nes Ho­ri­zonts. Ich möch­te bloß wis­sen, was dich in­ter­es­sant macht. Je­doch, sag nicht, dass du nichts kannst und ein Nichts bist; ein biss­chen Selbst­ver­trau­en wäre nicht ver­kehrt. Jeder kann ir­gend­was. Schorn­stein­fe­ger kön­nen Schorn­stei­ne fegen, Fuß­bo­den­le­ger kön­nen Fuß­bö­den legen, Gras­nar­ben­kor­rek­to­ra­ten kön­nen feh­ler­haf­te Gras­nar­ben kor­ri­gie­ren. Aber das sind alles bloß Ne­ben­be­ru­fe. Dein Haupt­be­ruf ist und bleibt: Mensch.

Und was kann der Mensch? Das ver­su­che ich ja ge­ra­de zu er­klä­ren. Und, bevor ich in die Ver­le­gen­heit der Ge­le­gen­heit nutze und mich in Ge­dich­ten, Kla­mauk und Dia­lek­ten zu er­klä­ren ver­su­che, sage ich ein­fach so, wie es ist: der Mensch kann Kunst, kann Kul­tur, kann und muss auch. Und soll ich dir zum Ab­schluss noch er­klä­ren, wel­chen gro­ßen Vor­teil die­ser ganze Quatsch hat? Ich denke, ich soll. Nun gut: in der Kunst gibt es keine Feh­ler.

Also, Gesäß hoch, ver­dammt! Tu mir kei­nen Ge­fal­len, son­dern ein­fach nur etwas, was viel zu sel­ten ge­macht wird: das Rich­ti­ge. Bitte. Danke.

 

(geschrieben am 31.07.2011)