Ich bin sicher nicht der kompetenteste Filmkritiker, aber ich möchte anmerken, dass ich „Ghostbusters“ durchaus für sehr geistreich halte

Ich bin sicher nicht der kompetenteste Filmkritiker, aber ich möchte anmerken, dass ich „Ghostbusters“ durchaus für sehr geistreich halte

Ein cooler weißer Porsche stand vor meiner Haustüre. Davor zwei kleine Jungs, die das Auto von allen Seiten betrachteten und gutfanden. „He, Kids! Was macht ihr da an meinem Auto?“, frug ich dann lässig mit Döner in der Hand nach. Die Filous entschuldigten sich, waren beeindruckt und wollten wissen, wie ich mir so eine Karre leisten könne. „Kennt ihr mich denn nicht? Ich bin Filmstar, dauernd im Kino, fragt mal eure Eltern!“ Noch mehr Erstaunen. Habe dann Autogramme gegeben, unterschrieben mit „Heino Ferch“. Der Tag konnte für alle Beteiligten nur schlechter werden. Zunächst einmal wurde er das für mich dann auch.

Wenig später saß ich in meinem Lieblings-Café und las in einer beliebigen Zeitung Schlagzeilen über Diverses: „Kerry hält baldige Militärschläge im Irak für möglich„, „Al-Jazeera-Reporter in Ägypten zu langer Haft verurteilt“ und „RTL-II-Dokusoap: Die ‚Geissens‘ machen weiter„. Keine Pointe. Im Augenwinkel konnte dann ich erkennen, wie ein ehemaliger Mitschüler das Café betrat. Ich wusste noch seinen Vornamen, ich kannte ihn vom Sehen, er interessierte mich nicht. „Hey, Johannes, alter Sittenstrolch! Wie geht’s!“, kam er auf mich zu, als wären wir zweit- oder drittbeste Kumpels. Ich würdigte ihn freundlicher- und ausnahmsweise eines Blickes und murmelte etwas, das ich selbst nicht verstand. Er musterte mich, als wäre ich ein cooler weißer Porsche.

„Meinte Güte!“, sagte er dann, „Du bist ja schrecklich weiß an den Ärmchen! Sag mal, gehst du nicht aus dem Haus oder was?!“
„Ungern.“, antwortete ich.
„Warum denn nicht?“
„Gehst du häufig tagsüber nach draußen?“
„Klar!“
Ich machte eine vielsagende Pause und sagte dann: „Siehste.“

Die Kellnerin brachte mir einen neuen Kaffee, ich gab ein wenig Milch hinzu und blätterte die Zeitung um. Im Boulevard-Teil fand ich einen Artikel über die Darstellerin, die als Baby in fast vierhundert Folgen die lachende Sonne bei den „Teletubbies“ gegeben hat. Sie heißt offenbar Jessica Smith, ist inzwischen volljährig und sieht nicht schlecht aus. Ganz schön heiß, die Teletubbie-Sonne, höhö, dachte ich. Schlechte Wortspiele sind okay, wenn man sie nicht teilt und nur denkt. Anschließend stellte ich mir vor, wie Jessica Smith mit ihren Freundinnen auf einer Party herumkichert und daraufhin ein Thünnes auf sie zukommt und sagt: „He! Dieses Lachen! Bist du nicht die Sonne von den Teletubbies?!“ Der schönste Gesprächsanfang der Welt. „Haha, die Teletubbies!“, störte mein Gegenüber ungefragt meine dusseligen Gedanken, „Weißt du noch, dieser Spruch damals? ‚Tinky Winky steckt seinen Dipsy in Laa-Laas Po‘. Haha, was haben wir gelacht, weißt du noch?“ Wusste ich noch. Ich zog langsam meinen rechten Mundwinkel nach oben; schwierig für ihn, zu deuten, ob ich über den Spruch, die Erinnerung oder seine Anwesenheit schmunzelte. Ich blätterte weiter zum Sportteil. Ach guck, es war wieder Autorennen. Interessant. Die Formel 1 wäre deutlich spannender, wenn alle Fahrer das gleiche Auto und damit die gleichen Voraussetzungen hätten. Aber hey, töfte, ein Deutscher hat gewonnen! Hurra!

„Johannes, woher kommt diese Misanthropie?“, frug er dann.
„Griechenland, glaube ich.“, antwortete ich.
„Nein, deine meine ich.“
„Deutschland.“

Ob ich immer noch Kommunist wäre, frug er. Ich bin nie einer gewesen, sagte ich. Sein Vater habe mal gesagt, wer in seiner Jugend kein Kommunist war, der habe kein Herz. Schön, dass du dich an so viele kluge Sprüche erinnerst, bemerkenswertes Gedächtnis, toll, toll, toll, sagte ich und blätterte weiter. Du bist so ein Arschloch, sagte er. Immerhin nicht Heino Ferch, sagte ich. Und dann ging er. Wäre dies hier eine lustige, clever konstruierte Kurzgeschichte, würde er nun in seinen coolen weißen Porsche steigen und davonfahren. Er hingegen quetschte seine vier Buchstaben auf den Sattel eines klappriges Fahrrades und hatte eine Plastikente als Klingel. Tja, die schönsten Geschichten schreibt nicht das Leben, sondern der beste Autor, wer auch immer das ist. Eine schöne Lüge, glaubhaft und fantasievoll erzählt und die Realität müsste sich ganz schön anstrengen, mitzuhalten. Natürlich gibt es Ausnahmen. Aber wer erlebt die schon? Und wie häufig? „In der Fantasie geht alles“, hat Helge Schneider einmal gesagt. „Ich müsste dich dann abkassieren, ich mache gleich Feierabend“, sagte die Kellnerin. Ich gab Trinkgeld und ging.

Ein cooler weißer Porsche stand immer noch vor meiner Haustüre. Davor zwei kleine Jungs. Der Größere der beiden nölte: „Wir haben unsere Eltern gefragt und uns die Klingelschilder angeschaut, du hast uns angelogen!“ „Seid froh, die Wahrheit hätte euch nur gelangweilt.“, sagte ich. Ich stieg in meinen coolen weißen Porsche, fuhr nach England, um die Teletubbie-Sonne abzuholen, gemeinsam brachten wir Demokratie in den Irak, Pressefreiheit nach Ägypten und erkämpften ein Gesetz gegen RTL II. Es war ein ganz netter Donnerstag-Nachmitag, der sicher bald verfilmt wird – bleibt zu hoffen, dass ich nicht von Heino Ferch gespielt werde.

 

(geschrieben am 26.06.2014)