Das Quiztaxi kann nun einmal nicht überall gleichzeitig sein

Das Quiztaxi kann nun einmal nicht überall gleichzeitig sein

„Sagen Sie mal, wieso läuft das Ta­xa­me­ter ei­gent­lich auch dann wei­ter, wenn wir an einer Ampel ste­hen?“

Der Ta­xi­fah­rer dreht sei­nen Kopf nach rechts, in sei­nen Augen fla­ckert das Böse: „Ist halt so.“

Sie ste­hen an der Kreu­zung zwi­schen Ost­wall und Markt­stra­ße. Die La­ter­nen ar­bei­ten, es ist Nacht. Der Ta­xi­be­för­de­rung-​in-​An­spruch-​Neh­mer ist zu faul und zu reich, um die drei Ki­lo­me­ter nach Hause zu lau­fen. Wer kann, der kann. Das Ta­xa­me­ter zeigt sechs Euro und zehn Cent. Por­to­kas­se, das sind le­dig­lich Pea­nuts/Erd­nüs­se für ihn. Apro­pos Knab­ber­süß­zeug: Er wirft sich ein paar Wein­gum­mi in den Schlund und hat gleich schon die nächs­te Frage auf Lager.

„Sagen Sie mal, wieso haben hier die Wein­gum­mi­her­stel­ler den Schrift­zug ‚Vodka‘ auf die Ober­flä­che ge­presst, wo doch ganz of­fen­sicht­lich kein Vodka in die­ser run­den Sü­ßig­keit ent­hal­ten ist?“

Der Ta­xi­fah­rer dreht sei­nen Kopf nach rechts, in sei­nen Augen fla­ckert der Glanz der Gleich­gül­tig­keit: „Ist halt so.“

„Okay, gut, aber, sagen Sie mal, wieso sind alle Taxis aus dem Hause Mer­ce­des, wo es doch so viele an­de­re gute, tolle, deut­sche Au­to­mar­ken gibt; so ein Ta­xi-​Por­sche, das hätte doch mal was – und vor allem: Stil?“

Der Ta­xi­fah­rer dreht sei­nen Kopf nach rechts, in sei­nen Augen fla­ckert immer noch der Glanz der Gleich­gül­tig­keit: „Ist halt so.“

Die Ampel springt auf grün, das Auto mit dem gel­ben Schild fährt den Ost­wall hin­auf. Aus dem Funk­ge­rät des Ta­xi­fah­rers kom­men alle paar Se­kun­den Kre­fel­der Stra­ßen­na­men ge­krächzt. Brei­te Stra­ße, Le­we­renz­stra­ße, Tier­gar­ten­stra­ße, Horst­dyk, Hilfe, Hilfe, holt diese Leute doch je­mand ab! Manch­mal kotzt einer auf die Le­der­sit­ze, manch­mal ver­sucht einer ohne zu zah­len zu flüch­ten, manch­mal ist es sogar ganz an­ge­nehm. Und heute ist es so, wie es ist. Das Taxi fährt nun eine Links­kur­ve, rum­pelt lang­sam in die Rhein­stra­ße. Vor­bei an leer ste­hen­den Ge­schäf­ten, vor­bei an Geld­au­to­ma­ten, vor­bei an Tau­ben, die sich selbst mit ein paar Brot­krü­meln füt­tern.

„Sagen Sie mal, was wür­den Sie tun, wenn Sie eine Taube wären? Ich würde ja jeden Tag auf McDo­nald’s ka­cken. Kann die­sen Schup­pen nicht lei­den; das ist gar kein rich­ti­ges Re­stau­rant, die tun nur so. Ein Pseu­do­re­stau­rant ist das doch. Für Leute, die die Fisch­ga­bel nicht von der Auf­schnitt­ga­bel un­ter­schei­den kön­nen. Dort be­kommt man noch nicht ein­mal ein Schäl­chen mit Brot­schei­ben und Kräu­ter­but­ter, oder haben Sie schon mal einen Brot­korb bei McDo­nald’s be­kom­men? Haben Sie be­stimmt nicht! Die wis­sen nicht ein­mal, wie man Kräu­ter­but­ter über­haupt buch­sta­biert! Ich schon! K, R, hm, Ä, U, T, E, R, B, U, Dop­pel-​T, E, R. Ha!“

Der Ta­xi­fah­rer dreht sei­nen Kopf nicht, in sei­nen Augen fla­ckert über­haupt nichts mehr: „Wenn ich eine Taube wäre, wäre sich be­stimmt ir­gend­ei­ne Taube nicht dafür zu scha­de, mich zu fra­gen, was ich tun würde, wenn ich ein Mensch wäre. Und ich sage Ihnen eins:“, nun dreht er sei­nen Kopf doch noch, na­tür­lich, nach rechts: „Ich würde dann be­stimmt nicht ant­wor­ten: Ta­xi­fah­ren.“

Wäh­rend sie über die Uer­din­ger Stra­ße fah­ren, übt sich der Gast in einem er­staun­ten, aber laut­lo­sen Aus­druck des Ver­ständ­nis­ses. Er schei­tert auf eine wenig wür­de­vol­le Art und Weise. Dia­log ge­schei­tert. Sie bie­gen in die Ziel­stra­ße ein, Port­mo­nee-​Ra­scheln ist das ein­zi­ge Ge­räusch weit und breit. Acht Euro vier­zig, beim letz­ten Mal war der Weg vom Haupt­bahn­hof zur Mo­zart­stra­ße bil­li­ger. Doch der Fahr­gast mo­niert beim Aus­stei­gen etwas An­de­res: „Sagen Sie mal, ken­nen Sie das Lied ‚ICE‘ von Rai­nald Grebe? Da singt er die Zeile: ‚die Wahr­heit sagt dir jeder Ta­xi­fah­rer‘, aber das ist wohl kom­plett ge­lo­gen. Ich bin ehr­lich ent­täuscht, wis­sen Sie das?“

Der Ta­xi­fah­rer schmun­zelt in sich hin­ein, nimmt das ab­ge­zähl­te Ho­no­rar in Emp­fang und dann muss er auch schon wei­ter zur We­ber­stra­ße, wo ein be­trun­ke­nes Pär­chen auf ihn war­tet. Sei­nen Gast will er aber trotz­dem noch ver­ab­schie­den: „Ent­täu­schun­gen kom­men vor, denn, wis­sen Sie: das ist halt so.“ Und dann fährt er fort.

(geschrieben am 07.09.2011)